Drei Tage ohne Shorts & Hosen
Das Top-Reiseziel, auf das sich Praktikanten und Urlauber gleichermaßen ein halbes Jahr vorbereiten und auf das keiner der hier Verbleibenden verzichten kann, ist seit Jahren eine Segeltour auf dem größten lebenden Organismus der Welt: dem Great Barrier Reef. Im Herzen des Queensland Barrier Reef bestehen die Whitsundays aus 74 heraus klaffenden, waldbedeckten Inseln, die wie Juwelen im warmen Wasser des Korallenmeeres schwimmen.
Geplant wurde lange, die Durchführung geschah spontan. Anfang Oktober buchten wir die Tour und Tickets, zuletzt das Hostel, was uns wie hier in Australien üblich noch einmal kräftige Tourrabatte eintrug. Kurz vor der Touristenhochsaison und mit schönsten hochsommerlichen Temperaturen trauten wir uns auf eine dreitägige Segeltour. Oliver, gewiefter Segler, und ich, angehender Segellehrling (der bald den Segelschein macht), gingen der schönsten aller Beschäftigungen nach: Über die richtige Neigung des Schiffsrumpfes und den Anstellwinkel des Großsegels zum Wind zu reden.
Aber der Reihe nach: Hier sei etwas Dankbarkeit, Demut und Unglaube gezeigt, dass wir hier schon als Anfang Zwanziger herausgewachsene Kinder schon die schönsten Ecken der Welt sehen dürfen. Bei Sonnenuntergang mit guter Musik, bester Laune, Beef und Bier auf dem eingeklappten Focksegel liegend die anbrechende Nacht zu genießen ist eine der unglaublichsten Erfahrungen, die ich mir erträumen konnte. So der allgemeine Konsens von uns fünf Gefährten.
Nun aber zu unserer wirklichen Reise. Der Flug von Brisbane nach Prosperpine Airport lief ohne Probleme, die Ostküste lachte unter uns auf. Wir flogen nach dem Arbeitstag, um nur einen Tag Urlaub nehmen zu müssen. Das ersttägige Hostel, an dem wir bis zur Abfahrt unterkamen, war sehr stickig und geruchsintensiv. Wir machten deshalb schnell den Aufbruch in die Stadt, um nach Preis- und Volumenvergleichen von Pizzaangeboten (der Taschenrechner kam zum Einsatz) der ansässigen Pizzeria drei große Pizzen zu teilen und uns nach Vorräten umzuschauen. Nach der Jug-Runde Victoria Bitter ("Give it a shout!") ließen wir den Abend im brühwarmen Hostelpool abklingen, wobei die Kämpfe um die zwei Schwimmreifen mannhaft ausgetragen wurden.
Das Paradies begrüßte uns mit einer herben Überraschung: Die Schuhe wurden rigoros eingesammelt und auf dem Segelschiff herrschte Badehosenzwang. Die Schiffscrew der Maxi Apollo bestand aus Patrick, dem draufgängerischen Kapitän und Tauchlehrer, der sich nach Meinung vieler wie der kleine Bruder von Captain Jack-Sparrow, dem wilden Piratenkapitän aus dem Fluch der Karibik verhielt, Maxi, dem guten Geist des Schiffes, die das Wassertaxi übernahm und uns aus manch brenzligen Situationen rettete ("Wasserflöhe"!), unserem freundlichen Chef Karl, der die besten Gerichte zubereitete, und dem Maat Heidi, die das Steuer in der Hand hatte und die Windrichtungen bestimmte.
Den ersten Tag nach der vormittäglichen Inschiffnahme verbrachten wir mit aufgetakelten Segeln in der Brise um am Nachmittag am "Blue Perl Day" das erste Dive Training zu nehmen. Nach einem zu langen Schnorchelgang rutschten wir von der ersten in die zweite Gruppe, da wir, beeindruckt von den Riffen, Tigerfischen und den Mund öffnenden und schließenden Pflanzen, eine Extrarunde nahmen und den Startschuss verpassten. Es waren meine ersten Diving Versuche: Druckausgleich, Höhenruder und Flossen beherrschten man nach fünf Minuten problemlos. In 3 Metern Tiefe verloren wir nur fast das Beatmungsgerät, als Patrick begann mit einer Seegurke sein Unwesen zu treiben und uns in ein Footiematch damit einzuladen.
Nach etwas Sonnentanken ging es mit der Maxi Apollo an unseren nächtlichen Schiffsplatz im Nara Inlet, einer hübschen, isolierten Bucht der Nordinsel. Den Abend gab es dann zur Belohnung beim Abgesang von den Killers und Jack Johnson ein Bier gen Sonnenuntergang. Karl gab seinen Teil mit einem Beef auf Reis bei, das wir neben guten Gesprächen bis zur mitternächtlichen Nachtruhe genossen. Im Übrigen, einer der schönsten Nächte meines Lebens :)
Das vordere Segel, Headi genannt, wurde zur Hängematte umfunktioniert, womit uns den gemütlichsten Platz des Schiffes erschufen. Geschlafen wurde in der Kajüte mit Schlafkästen von der Größe eines amerikanischen IT-Arbeitsplatzes (hach, Sticheleien sind so herrlich ^^). Bei fehlender Decke gab es eine unruhige Nacht, die mit gutem Flakes, Obst &Toast Frühstück wieder gut gemacht wurde. Unsanft nur das Aufwachen durch das Brummen der Schiffsmotoren.
Der zweite Tag war der Geschäftigste unter den Tagen. Aufgetakelt (immer sieben Mann mussten sich gleichzeitig abquälen) ging es aufs östliche Hook Island. Die Südstrände bargen die schönsten Riffe und einen nie gekannten Artenreichtum, der nicht einmal mit Cairns zu vergleichen war, wogegen der Nordstrand bei an der Oberfläche schwimmenden Kleinstteilchen riesige Horden an Fischschwärmen anzog. Das Schnorcheln und kurzzeitige Tauchen durch die ungestörten Schwärme voller gelber und roter Fische ist ein unglaublicher Spaß.
Meine erste Tauchtour am samstäglichen Vormittag machte ich mit zwei anderen weiblichen Introductory Divern, meine anderen Kollegen hatten die Erfahrung bereits in Cairns gemacht. Da wir eine motivierte Truppe waren und keine Probleme hatten, führte uns Patrick, der unter Wasser singende und tanzende, gechillt abgedrehte Tauchlehrer in zwölf Meter Tiefe, zur Überraschung tiefer als die Certified Divers. Schon über Wasser eine 1 Meter große Schildkröte beim Schnorchelgang und zwei sich begattende Schildkröte vom Boot aus gesehen, gab es unter Wasser die Überraschung: Eine mannshohe Schildkröte kam uns hautnah. Fische gab es bis zu zwei Meter lange, Teufelsrochen schwommen am Grund. Das dreißig Grad warme Wetter verwöhnte uns. Zwischen den Tauchgängen gab es dann kulinarisch aufbereitet Reis und Nudeln in grünen Salaten und Dressing- sowie Salatsaucen, auf der Rücktour Cracker & Cocos Cake. Bei aufkommendem Sturm mussten wir dann statt der Cocktailbar am Strand mit einem Ankerplatz zwischen Inseln vorlieb nehmen, der Sicherheit zuliebe, die Cocktailbar am Horizont. Um die fünfzehnköpfige Mannschaft zu motivieren, ließ sich Patrick noch einige Trinkspiele einfallen. Mit Mannschaftshymnen wurde lautstark das gegnerische Team denunziert, sodass wir die anliegenden Nachbarboote bei ihrer Nachtruhe störten.
Die durchzechte Nacht wurde dann hineingeschlafen, die Crew setzte schon bei Nacht zum Whitehaven Beach ab, wir wurden bei gutem Frühstück am weißesten Strand der Welt geweckt: Whitehaven Beach. Oliver übernahm den Schlauchboot-Außenbootmotor, noch bevor ich zur Tat schreiten konnte (fies!). Der Sand, wie Puderzucker aus den Händen gleitend, zerstört mit Vorlieb Kameras.
Spaziergänge am Strand und Superman Spiele im Wasser (Fotos gibts auf Nachfrage) ließen die drei Stunden Strandaufenthalt schnell vergehen. Das schönste an diesem Segeltörn war die unbegrenzte Zeit, die man sich für das Tauchen und die Strandaufenthalte nehmen konnte. Die Crew war die ruhigste und angenehmste, die ich mir erdenken konnte, gescherzt und gestaunt wurde viel gemeinsam, immer hatte sie Beitrag an der Freude danach.
Zurück auf Land begann die Landkrankheit! Brauchte man zwei Stunden, um die Übelkeit an Bord des Schiffes zu überwinden, so passierte das Ganze nun auch verkehrt herum. Zum Flughafen ging es nach Kuchen&Kaffee mit dem wohl teuersten Taxitransfer, die Abzocker der Touristen treiben bei Monopolen ihr Unwesen.
Zufrieden und braungebrannt kehren wir an unseren Arbeitsplatz zurück, jedem, der hier verweilt, sei die mehrtägige Segelerfahrung empfohlen. Postkarten wurden geschrieben und werden Euch bald erreichen.
Am Flughafen wollte nun auf einmal jeder einen Fensterplatz, sodass wir den Budgetflieger missbrauchten und uns jeweils übers Flugzeug verteilt die besten Ausblicke buchten. Wir waren ja schließlich zwei Stunden verfrührt am Flughafen und mussten uns die Zeit bei Kakao und Postkartenkauf vertreiben.
Zufrieden fiel ich ins Bett in einen Zehnstundenschlaf. Hier in Australien..